Bedingungen für eine Erprobung des Bürgertickets

Im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Partei „Die Linke“ nahesteht, hat das Wuppertal Institut „Mobilität in Nordrhein-Westfalen, Situation und Zukunftsperspektiven untersucht.“ Darin beschäftigen sich die Autoren auch mit der Finanzierung, genauer: der Drittnutzerfinanzierung. Eine der Möglichkeiten ist das Bürgerticket:

Die erstmalige modellhafte Einführung eines Bürgertickets bietet sich vor allem für Klein- und Mittelstädte insbesondere in Einzellagen an, da hier niedrigere Kosten für den ÖPNV-Betrieb auf die BürgerInnen umgelegt werden müssten als in größeren Städten und es weniger Verkehrsverflechtungen mit Nachbarkommunen gibt. Gleichzeitig können in Klein- und Mittelstädten durch die Einführung eines Bürgertickets deutlichere Verbesserungen des ÖPNV-Angebots erzielt werden (Takt, Haltestellendichte) als in Großstädten mit einem bereits gut ausgebauten ÖPNV-Angebot 20 (vgl. Maaß/ Waluga 2016: 30). Bei Einführung eines Bürgertickets müsste aufgrund einer erhöhten Nachfrage zudem das ÖPNV-Angebot erweitert werden, was zusätzliche Kosten zur Folge hätte. Diese Infrastrukturkosten würden in einer Großstadt mit schienengebundenem ÖSPV teurer ausfallen (z.B. Bau neuer StraßenbahnInfrastrukturen) als in Klein- und Mittelstädten, in denen lediglich der Bus häufiger oder auf neuen Linien fahren müsste. In Klein- und Mittelstädten würde die Einführung eines Bürgertickets daher auf geringere Widerstände stoßen (politisch, infrastrukturell) als in Großstädten und wäre zeitnaher umsetzbar. In einer mittelfristigen Perspektive sind Bürgertickets aber auch in Großstädten und (regionalen) Verkehrsverbünden umsetzbar oder, entsprechend der Entwicklungen der Semesterticket-Reichweiten (vgl. Müller 2011), NRW-weit denkbar.

Wieder einmal spricht sich die Wissenschaft für das Bürgerticket aus. Verständlicherweise wird es zunächst für Städte ohne große Verflechtungen wie im Ruhrgebiet empfohlen, und für Städte, in denen sich die Infrastruktur nicht Schlag auf Schlag erweitern lässt, was Großstädte mit Straßenbahn/ U-Bahnsysteme für die Anfangszeit zu keinen optimalen Erprobungsorten macht. Wuppertal hingegen besitzt nur ein schienengebundenes Verkehrsmittel und das ist ab 2017 aufgerüstet, mit neuen Zügen, neuem Betriebsystem und dichtem Takt. Inwiefern Wuppertal jetzt mit den Nachbarkommunen verflochten ist, lässt sich sicher diskutieren und vor allem ließen sich hier Streitpunkte lösen. Wuppertal wäre also aufgrund der 1987 abgeschafften Straßenbahn ein optimaler Kandidat für die Erprobung des Bürgertickets in Großstädten.